Der Landesverband Sachsen im Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge gedachte anlässlich des 9. Novembers am heutigen Vormittag zusammen mit Vertretern aus Politik und Gesellschaft der jüdischen Opfer auf dem Neuen Jüdischen Friedhof in Dresden mit Ansprachen und einer Kranzniederlegung. Das Gedenken richtete sich einerseits an die Opfer der niederträchtigen Vorgänge des 9. November 1938. Gleichzeitig galt die Gedenkveranstaltung am Jahrestag des Waffenstillstands von Compiègne, der 1918 die Kämpfe an der Westfront beendete, vor dem Ehrenmal der jüdischen Gefallenen des Ersten Weltkriegs insbesondere jenen jüdischen Männern, die 1914 für König und Vaterland in den Krieg zogen und Leben und Gesundheit opferten. Ein Tod, der ihnen nur schlecht gedankt wurde, wie die weitere Geschichte nach 1933 zeigt. Auch jenen Frontkämpfern, wie der literarischen Gestalt des Prof. Mamlock, oder den bedeutenden Historikern Hans Rothfels und Ernst Kantorowicz, erwies Deutschland groben Undank ...
Der 9. November ist in der deutschen Geschichte des 20. Jahrhunderts ein vielschichtiger Tag des Erinnerns und Gedenkens - neben dem epochalen Ereignis des Übergangs von der Monarchie zur Republik am 9. November 1918 scheinen helle und dunkle Facetten auf. Episode blieb der Ludendorff-Hitler-Putsch des Jahres 1923, der unter den Kugeln der entschlossen vorgehenden Bayerischen Landespolizei kläglich scheiterte. Der Mauerfall des Jahres 1989 gilt als glückhaft, während der 9. November 1938 den absoluten Tiefpunkt kennzeichnet.Seit dem Sturm auf die Frankfurter Judengasse anno 1614 versündigten sich Deutsche nicht mehr in solchem Ausmaß an ihren jüdischen Mitbürgern. Jenen Bürgern, die seit der Hardenbergschen Judengesetzgebung des Jahres 1812 als „emanzipiert“ galten.
Der Kulturbruch des 9. Novembers 1938 mit Plünderung, Brandschatzung und Mord steht emblematisch für den Verlust deutscher Rechtsstaatlichkeit. Viele jener Deutschen jüdischen Glaubens, die 1914 unter die Fahnen traten und für Deutschland Leben und Gesundheit gewagt hatten, konnten 1933 und in den Folgejahren nicht glauben, dass ihr Opfer für das Vaterland umsonst gewesen sei. Über 12.000 deutsche Juden fielen im Ersten Weltkrieg.
Es sprachen die Landesvorsitzende des Volksbunds, Andrea Dombois, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Dresden, Ekaterina Kulakova, sowie der Kommandeur der Offizierschule des Heeres, Brigadegeneral Willer. Sie alle widmeten sich nicht nur dem historischen Bezug des 9. Novembers, sondern rekurrierten zudem auf die gegenwärtigen Anfeindungen von Juden in Deutschland und weltweit, wie aktuell in den Niederlanden. Das traditionelle jüdische Totengebet - Kaddisch - sprach Oleg Portnoy, Militärrabbiner aus Leipzig, der zuvor die Bedeutung der neu geschaffenen jüdischen Militärseelsorge in der Bundeswehr unterstrich, während das traditionelle Totengedenken vom neuen Landtagspräsidenten, Alexander Dierks, verlesen wurde.
Text: Dr. Dirk Reitz