Zum 80. Jahrestag der Befreiung des Kriegsgefangenenlagers in Zeithain versammelten sich Vertreter des Volksbunds, der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, der Gemeinde Zeithain, der Bundeswehr und des Sächsischen Landtags auf dem ehemaligen Lagerareal.
Die Gedenkrede hielt der Präsident des Sächsischen Landtags, Alexander Dierks. Für den Volksbund begrüßte der Landesgeschäftsführer Dr. Dirk Reitz und für die Stiftung Sächsische Gedenkstätten deren Geschäftsführer Dr. Markus Pieper.
Besonders beeindruckten die Redebeiträge von Nachkommen sowjetischer, polnischer und italienischer Lagerinsassen. Gerade das Schicksal der italienischen Militärinternierten, d.h. jenen italienischen Soldaten, die nach dem „Fall Achse“, dem italienischen Bündniswechsel des Jahres 1943, nicht als Kriegsgefangene, sondern als „Militärinternierte“ misshandelt wurden, blieb lange Zeit „unterbelichtet“ – ca. 900 starben hier in Zeithain.
Die Worte von Aldo Magnoli, Sohn eines italienischen Militärinternierten, stehen für sich:
"Heute, am 80. Jahrestag der Befreiung des Lagers, in dem mein Vater Armando interniert war, in Zeithain zu sein, hat für jemanden, der wie ich noch nie an diesem Ort war und der von seinem Vater nie von dem Erlebten erzählt bekommen hat, mehrere Bedeutungen. Diese Orte und ihre Umgebung zu sehen und über diese Felder zu gehen, wird zu einer nachträglichen Unterhaltung mit unseren Lieben, die nicht mehr da sind. Auf dem Bahnhof von Jacobsthal kamen Zehntausende von Gefangenen aus verschiedenen Nationen an, aber nicht für alle gab es keine Möglichkeit, von dort nach Hause zurückzukehren. Sie blieben auf dem italienischen Soldatenfriedhof und in Massengräbern wurden die sterblichen Überreste der Unglücklichsten vergraben.
Die schriftlichen Arbeiten von Zeitzeugen wie Padre Luca Airoldi, den Rotkreuzschwestern Alma Giola und Maria Vittoria Zeme, Oberstleutnant Leopoldo Teglia oder Hauptmann Federico Corrado, um nur einige zu nennen, und von Forschern wie Cristian Pecchenino, veranlassten mich zu prüfen, ob die Ereignisse von Zeithain noch Raum für weitere Untersuchungen ließen. Und dem so. Die erste Überraschung erlebte ich mit Hilfe meines Freundes Milan Spindler, als ich Unterlagen über die Ankunft des Lazarettzuges in Modena entdeckte, der Hunderte von tuberkulosekranken Militärinternierten aus Zeithain in das örtliche Militärkrankenhaus brachte. Die besondere Schwierigkeit der Rückkehrer führte in mehreren Fällen dazu, dass sie bereits in den ersten Tagen nach ihrer Einlieferung starben.
Auf diese Weise ist es möglich, die Zahl der 890 Italiener, die nach den bereits zitierten Quellen direkt im Reservelazarett oder außerhalb seiner Umzäunung ums Leben gekommen sind, neu zu bestimmen. Hinzu kommen weitere 26 junge Menschen, die Zeithain am 15. Juni 1944 mit einem Lazarettzug verlassen haben, aber in den folgenden Tagen in Modena gestorben sind. Bei weiteren 28 von ihnen warten wir auf die Einsicht in ihre Krankenakten, um sicher zu sein, aus welchen der verschiedenen Lager in Deutschland sie stammen. Gemeinsam mit Milan waren wir Referenten auf der Konferenz in Modena im vergangenen Juni zum Thema Lazarettzug aus Zeithain.
Ein weiterer wichtiger Fund im Jahr 2024 war das unveröffentlichte handschriftliche Tagebuch, das der Leiter der italienischen Apotheke in Zeithain, Hauptmann Giuseppe Venturelli, von 1943 bis 1945 geschrieben hat und dessen 959 Seiten ich gerade abtippe. Nach 80 Jahren bietet uns dieses Tagebuch eine Fülle von Informationen und Bildern. Angefangen von dem sehr genauen Plan des Lagers, der am 27. März 1945 gezeichnet wurde und in dem die Nummerierung der einzelnen Baracken und ihre Anordnung in den Lagern A, B und C hervorgehoben sind, über 58 gezeichnete Bilder, davon 38 mit Karikaturen des medizinischen Personals, der italienischen und russischen Gefangenen, bis hin zur detaillierten Verpflegung mit den sehr knappen Lebensmitteln, ausgedrückt in täglichen und wöchentlichen Pro-Kopf-Kilokalorien. Hinzu kommende taillierte Berichte über die täglichen Wechselfälle innerhalb des Lagers.
Mit dem Gesetz Nr. 6 vom 13. Januar 2025 hat der italienische Staat für den 20. September einen jährlichen Tag der Erinnerung an die Italienischen Militärinternierten eingeführt. Bei dieser ersten Zeremonie in fünf Monaten wird der Präfekt von Modena mehr als 60 Militärinternierten posthum die Ehrenmedaille verleihen. Darunter befinden sich auch mehrere in Zeithain internierte Personen wie Padre Luca Airoldi, Leutnant Emilio Romeo, der das Galena-Radio erfunden hat, der Soldat Baldaccini Bertino und andere Militärangehörige.
Ich möchte diese kurze Rede wiederum mit Jacobsthal abschließen. In der biblischen Erzählung lebte Jakob, der auch Israel genannt wurde, in bitterem Konflikt mit seinem Zwillingsbruder Esau. Später wurden sie jedoch durch Vergebung und Brüderlichkeit versöhnt. Auch der heutige Jahrestag, 80 Jahre nach den Schrecken, die sich zwischen den Stacheldrahtzäunen abspielten, zeigt wie in dem Gleichnis Jakob, dass eine bessere Welt möglich ist."
Den Ansprachen folgte eine Gedenkzeremonie vor dem Obelisken, zu der neben einem katholischen und einem protestantischen Geistlichen auch der Militärrabbiner Alexander Nachama beitrug. Mit der Verlesung des Totengedenkens und einer Kranzniederlegung fand die Veranstaltung einen würdigen Abschluss.